Pagerank: Was will uns diese Zahl sagen?

Im Rahmen des Wettbewerbs "Hommingberger Gepardenforelle" wundern sich etliche Menschen darüber, dass viele Seiten mit einem geringen (oder sogar gar keinem) Pagerank bei Google deutlich über solchen mit einem höheren Pagerank stehen.

In seinem Artikel "virtuelle Schwärme" in der ct' vom 02.05.2005 schreibt Jo Bager, die Branche der Suchmaschinen-Optimierer ginge "daher davon aus, dass die per Google-Leiste ausgegebenen Page-Rank-Werte veraltet sind". Da hat er Recht. Das ist nicht neu.

Der Diplom-Psychologe Alexander Schestag aus Heidelberg hat sich mit diesem Problem genauer beschäftigt. Auf seinen Seiten online-praesenz-beratung.de weist er nach, dass der Pagerank durchaus noch eine Rolle spielt. Auch er hat Recht. Auch das ist nichts Neues.

Der Widerspruch ist leicht aufzulösen: Jo Berger sagt lediglich, dass die aktuell ausgegebenen Werte für den Pagerank veraltet seien. Es ist seit langem bekannt, dass diese Werte deutlich seltener aktualisiert werden als der Google-Index insgesamt. Dass also viele Seiten auf den Spitzenpostionen bei der Suchfloskel "Hommingberger Gepardenforelle" am 05.05.2005 immer noch einen Pagerank von Null aufweisen, ist kein Wunder. Sie sind schlicht noch viel zu neu. Deshalb hat der Pagerank zur Zeit (Mai 2005) einen sehr geringen Einfluss auf das Ranking bei Google. Wenn irgendwann die nächste Aktualisierung des Pagerank stattfindet, wird die Liste sehr anders aussehen.

Alexander Schestag hat also erfolgreich eine Behauptung widerlegt, die Jo Bager gar nicht aufgestellt hat. Schestag rät "von einer Vernachlässigung des Pageranks bei der Optimierung der Google-Positionierung absolut ab". Da hat er Recht.

Andererseits ist genauso davon abzuraten, die Bedeutung des Pagerank für das Ranking bei Google überzubewerten. Es zeigt sich immer wieder: Der beste Pagerank hilft nichts, wenn kein oder zu wenig relevanter Inhalt auf den Seiten vorhanden ist. Immer wieder landen Seiten mit erstaunlich kleinem Pagerank in den Suchmaschinen vor Seiten von WWW-weit führenden Präsenzen. So verschwand z.B. ein Spiegel-online-Bericht zum Wettbewerb nach wenigen Tagen wieder in der Google-Mottenkiste.

Ein relevanter Anteil der Suchmaschinen-Optimierer lebt von dem Mythos, dass ein möglichst hoher Pagerank den Erfolg der Kundenseiten garantiere. Wer sich noch an die Zeit erinnert, als der monatliche Google-Dance über Reichtum oder Armut der "professionellen" SEOs entschied, hat vermutlich noch die heftigen Diskussionen in der Branche im Ohr.

Komisch: Kunden von woodshed productions waren von diesen Schwankungen im Ranking bei Google fast nie betroffen (und wenn, dann nur kurzfristig). Es bleibt dabei: Inhalte sind das Wichtigste. Pagerank und viele andere Merkmale können dabei nur unterstützen.

Folgerungen für den Wettbewerb "Hommingberger Gepardenforelle"

Wir haben also, und das lassen beide Autoren - sowohl Jo Bager, als auch Alexander Schestag - bei ihren Betrachtungen ausser acht, den seltenen (im deutschen Sprachraum bisher einmaligen?) Fall, dass eine völlig neue Suchfloskel in sehr kurzer Zeit auf einer inzwischen siebenstelligen Zahl von WWW-Seiten auftaucht. Die "Hommingberger Gepardenforelle" existierte bis Mitte April nicht. Sowohl auf WWW-Seiten, als auch als Input in einen Suchschlitz war sie schlicht nicht vorhanden.

Deshalb bewegen sich die Tausende von Teilnehmern an dem Wettbewerb genauso wie die Suchmaschinen in einem Sandkasten, wie er in diesem Ausmass bisher nicht in freier Wildbahn aufgebaut wurde. Suchdienste und "professionelle" Seitenbetreiber (und/oder deren SEOs) sind im Alltagsbetrieb Teil eines Zöllner-­Schmuggler-­Problems. Der interessante Unterschied zum Wettbewerb "Hommingberger Gepardenforelle" besteht darin, dass hier mit offenem Visier gekämpft wird.

Beide Seiten haben etwas davon. Wir Teilnehmer können live beobachten, wie sich bei Google ein ungeahnt grosser Bestand an Daten in verblüffend kurzer Zeit aufbaut, und bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, wie Google damit umgeht. Aber auch Google kann die Methoden der Seitenbetreiber analysieren und bisher ungetestete Methoden aus dem Labor ausprobieren. Google wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie diese Chance nicht auch nutzten. (Nebenbei: Hallo? Lest Ihr das? Wenn ja: Kompliment! Man muss Euch nicht lieben. Aber Ihr seid noch besser, als ich je vermutete.)

Dass der Pagerank erst später eine grössere Rolle spielen wird, muss Google nicht stören. Für uns Teilnehmer erhöht sich dadurch nur die Spannung. Wie schrieb Heise in der Ausschreibung so treffend: "Der Begriff der Hommingberger Gepardenforelle wurde gewählt, um keinen Flurschaden anzurichten." Stimmt. Umsatzeinbrüche bei Fischzüchtern sind kaum zu befürchten.

Folgerungen für den Arbeitsalltag

Die Erkenntnisse aus diesem Wettbewerb sind aus einem ganz anderen Aspekt als der Pagerank-Frage nicht ohne weiteres auf den Alltag zu übertragen: Es wird wohl schwierig sein, für die Zielgruppe "Hommingberger-Gepardenforelle-Wettbewerbsteilnehmer" einen adäquaten Vergleich aus der Konkurrenz um andere, wirtschaftlich interessante Suchfloskeln zu finden. Hier wettstreiten Seitenbetreiber, bei denen eine überdurchschnittlich hohe Kenntnis des Mediums "WWW" im Allgemeinen und der Funktionsweise von Suchmaschinen im Speziellen unterstellt werden kann. Diese Voraussetzung wird im Alltag der HTML-Autoren, Werbeagenturen und SEOs seltendst vorkommen. Die Konkurrenz ist normalerweise deutlich schwächer, selbst bei Suchbegriffen mit erheblich mehr Trefferzahlen.

So hat Heise uns mit der "Hommingberger Gepardenforelle" einerseits einen wundervollen Testfall geschenkt. Andererseits sind die Erkenntnisse aus diesem Test nicht uneingeschränkt auf den "realen Kampf um virtuelle Positionen" übertragbar. In diesem Wettbewerb werden nicht diejenigen die Gewinner sein, die als (einzige!) Belohnung einen der begehrten Links von Heise verbuchen können. Die wahren Gewinner sind die, die in der Lage sind, die Schlussfolgerungen aus der Beobachtung des Verhaltens von Google und den anderen Suchmaschinen so differenziert zu bewerten, dass sie erkennen, was davon übertragbar ist und was nicht.

Der Witz dabei ist: Dazu ist die Teilnahme an dem Wettbewerb gar nicht zwingend erforderlich. Eine genaue Beobachtung kann diese Erkenntnisse auch liefern. Es erstaunt mich überhaupt nicht, dass die seriösen führenden Suchmaschinen-Optimierer sich dezent aus dieser Schlacht raushalten.

Der geschätzte Kollege Michael Jendryschik hat eine interessant begründete Kritik an der Hommingberger Gepardenforelle publiziert. Einerseits verstehe ich seine Argumente. Andererseits zeigt die Entwicklung bisher, dass sie zu kurz greifen. Bisher (Mai 2005) punkten tendenziell die Seiten mit interessantem Inhalt. Seine Frage, wie hoch seine inhaltlich relevante Seite kommen kann, obwohl sie den Wettbewerb als Ganzes kritisiert, hebt die Diskussion allerdings auf eine Meta-Ebene, die im kommunikationstheoretischen Diskurs auch ohne die Beteiligung von Suchmaschinen immer wieder erreicht wird.

Habe ich schon erwähnt, dass es mir fast egal ist, wo meine Seite über die Hommingberger Gepardenforelle zum Schluss landen wird?